Bodenseefestival:
Über Tücken & Glück der Kooperation im Bodenseeraum
Von Katharina Ess
Das Wörtchen Zusammenarbeit kommt ganz unschuldig daher. Klar, wollen wir das! Synergien nutzen, Ressourcen sparen, gemeinsam etwas Großes schaffen, Erfolgserlebnisse feiern. Aber das Wort Zusammenarbeit trägt eben auch ganz unverblümt das Wort „…arbeit“ in sich. Zusammenarbeit bedeutet auch Arbeit. Arbeit des Sich-aufeinander-Einlassens, der Toleranz, des Aushandelns, des Kompromisseschließens. Und auch wenn es auf dem Weg – sei es bei der Organisation eines Festivals oder vielleicht auch bei der Bewerbung um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ – manchmal Momente gibt, in denen man denkt: „Alleine wäre das doch alles viel einfacher!“, bin ich nach jedem Arbeitstreffen mit unseren Mitveranstaltern und nach jedem Festival sehr dankbar, gemeinsam mit Städten und Veranstaltern rund um den Bodensee ein gemeinsames Festival realisieren zu können.
Das Bodenseefestival gestaltet jedes Jahr in Kooperation mit bis zu 30 Mitveranstaltern ein Festival mit Musik, Theater, Tanz und Literatur zu einem Thema. Von Anfang Mai bis Pfingsten finden ca. 70 Veranstaltungen in den vier Ländern der Bodenseeregion statt. Beschäftigen wir uns im Mai und Juni 2019 mit den Benelux-Staaten – eine Region, die wie keine andere in Europa bereits 1958 Nationalgrenzen zugunsten einer Gemeinschaft überwunden hat und somit Vorreiter der Zusammenarbeit in der EU wurde – so widmen wir uns ab dem Jahr darauf den Charakteristika unserer Vierländerregion Bodensee. Als erstes steht 2020 unser Festival unter dem Motto „Über Grenzen“. Jedes Jahr nutzen wird den Zusammenschluss von 25 Städten, um zwei hochkarätige Artists in Residence einzuladen und diese in der Bandbreite ihres künstlerischen Schaffens zu präsentieren. So ist im Festival 2019 nicht nur die exzellente Geigerin Janine Jansen zu Gast, sondern auch der Pianist, Komponist und Elektromusiker Francesco Tristano. Er ist bei acht verschiedenen Konzerten zu erleben: vom Klavierrezital bis zum Live Club Set, u. a. in Dornbirn, Friedrichshafen, Ravensburg und Konstanz.
Es ist keineswegs selbstverständlich, dass sich verschiedene Länder oder Städte – wie im Bodenseefestival oder der Kulturhauptstadtbewerbung – zusammenschließen, um gemeinsam die kulturelle Landschaft weiterzuentwickeln. In der Kultur muss jeder kämpfen, um Gelder, um Besucher, um Aufmerksamkeit und es braucht Selbstbewusstsein und Selbstdisziplin, um seinen Kämpferinstinkt nicht auch manchmal gegen seine Mitbewerber zu richten. Aber sollen wir nicht mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es um den Zusammenhalt der Gesellschaft, um den Austausch über verschiedene Meinungen und Herangehensweisen hinweg, und um die Zusammenarbeit in all unserer Unterschiedlichkeit geht?
Das Bodenseefestival ist eine Initiative, die Partnerschaften initiiert und begleitet. Es begnügt sich nicht mit dem bloßen Austausch, sondern stellt die Partnerschaft jedes Jahr auf die Probe und macht die Ergebnisse als Veranstaltungen öffentlich. Dadurch wird die Zusammenarbeit – viel mehr als bei bloßen Austauschformaten wie Konferenzen oder Symposien – stark auf die Probe gestellt, denn das Ergebnis ist öffentlich sichtbar. Die Anforderungen an ein solches Festival werden von vielen Seiten kommuniziert, die Vorstellungen der vielen Beteiligten sind nicht immer deckungsgleich. Es ist ein Ringen um Exzellenz, ein Aushandeln von unterschiedlichen Bedürfnissen, ein stetes Definieren von Kriterien, ein Abwägen von Interessen und ganz viel Kommunikation. Am Ende steht ein Festival, anhand dessen jeder beurteilen kann, ob sich die Zusammenarbeit gelohnt hat. Zahlreiche treue Mitveranstalter, die seit Jahren das Bodenseefestival mitgestalten, beweisen, dass sich die Kooperation für ein grenzüberschreitendes Festival auszahlt. Und ich persönlich bin nach zweieinhalb Jahren Festivalarbeit mehr denn je davon überzeugt, dass wir die grenzüberschreitende Zusammenarbeit Jahr für Jahr noch intensivieren sollten!
Auch Dornbirn, Bregenz und Feldkirch sind in diesem Jahr Austragungsort des Bodenseefestivals. Am 30.5. im Spielboden erleben wir eine Veranstaltung, bei der neue Kooperationen auf verschiedenen Ebenen entstehen: Es ist ein Clubkonzert, das unser Artists in Residence, Francesco Tristano, mit drei Studierenden des Vorarlberger Landeskonservatoriums gestaltet. Die Musiker haben sich im März kennengelernt und erste Ideen ausgetauscht, das Programm entsteht an einem Workshoptag im Mai bevor es am 30. Mai zur Aufführung kommt! Die Veranstaltung ist eine Koproduktion des Spielboden Dornbirn, des Vorarlberger Landeskonservatoriums und des Bodenseefestivals.
Wenn am Ende das Gefühl des „Zusammen…“ das Gefühl der „…arbeit“ übersteigt, dann hat sich die Kooperation gelohnt. Und ganz wie von selbst stellt sich kurz nach einer gelungenen Veranstaltung die Frage „Und was machen wir im nächsten Jahr?“ Für den Prozess der „...arbeit“ und das Gefühl des „Zusammen…“ wünsche ich der Initiative Dornbirn plus viel Energie und Freude!
Katharina Ess, Geschäftsführerin der Bodenseefestival GmbH