locart. Verein zur Investition in Kunst und Kultur
Liebe Mitglieder des Vereins locart, mit Spannung haben wir nach dem Interview mit Maria Simma auf eure Vereinsgründung gewartet. Mit dem Verein locart geht ihr nun konkret ein Thema an, dass auch uns in der Bewerbung zur Kulturhauptstadt immer wieder beschäftigt hat: Die (karge) Sponsoringlandschaft im Kunst- und Kulturbereich.
1 Welches Ziel verfolgt locart?
Mirjam Steinbock: Der Verein locart sammelt Geld von Unternehmen und Privatpersonen und gibt dieses zu 100% an professionelle Kunst- und Kulturschaffende mit Wohnsitz in Vorarlberg weiter. „Investieren in Kunst und Kultur“ ist die Zielformulierung. Diese tragen wir neun Gründungsmitglieder aus allen Sparten der Kunst und Kultur nach außen. Wir möchten ein Bewusstsein für
Kunst und Kultur und die Arbeitsbedingungen der Akteur*innen schaffen und auch eine Lust am Investieren wecken. Eine Investition ist aus unserer Sicht der passende Begriff. Er beschreibt, dass das Bewusstsein für einen Wert schon existiert und ist auf das Jetzt und die Zukunft ausgerichtet. Hier geht es weniger um eine Vereinbarung wie beim Sponsoring, in der es heißt, ich gebe dir Geld und du gibst mir dafür etwas zurück. Der Wert, den Kunst- und Kulturschaffende bieten, ist bereits da und dieser muss unbedingt erhalten werden. Die Investion von uns Gründungsmitgliedern ist, dass wir Ressourcen in Form von Geld sammeln und diese Ressourcen zur Verfügung stellen, damit die Freiheit von Kunst und Kultur gewahrt bleibt. Und damit diejenigen Menschen, die das professionell umsetzen, auch ihre Arbeit machen können. Ein Theater- oder Tanzstück, ein Konzert, ein Film, eine Ausstellung – das alles entsteht nicht von hier auf gleich, sondern mit langen Vorlauf- , Entstehungs- und Planungszeiten. In der Krise, wo alles weggefallen ist und zum Großteil bis Ende des Jahres schon alles abgesagt wurde, stehen die Akteur*innen der Kulturszene vor dem Nichts. Interessant ist, dass Maria Simma und mir bereits vor Wochen von Privaten und Unternehmen Geld angeboten wurde. Und wir uns gemeinsam mit der Regisseurin Barbara Herold fragten, wie wir das bestmöglich einsammeln und vor allem verteilungsgerecht weiterreichen können. Zur Unterstützung haben wir bei Kolleg*innen aus anderen Sparten angefragt und erhielten sofort ein begeistertes Ja. So kamen dann Nina Fritsch aus dem Bereich Theater, Frauke Kühn aus der Literatur, Manuela Mylonas aus dem Film, Silvia Salzmann aus dem Tanz, und Philipp Lingg und David Helbock aus der Musik dazu. Wir sprechen uns gemeinsam für eine starke Kunst- und Kulturszene aus und bündeln die Kräfte. In diesem Team unterwegs sein zu dürfen, ist eine große Freude. Und für mich persönlich ist es auch ein Ziel, sicht- und spürbar zu machen, dass sich die Freude über Kunst vervielfachen kann.
2 Wie wollt ihr vorgehen, um möglichst viele Spenden zu lukrieren?
Mirjam Steinbock: Indem wir unser Anliegen und Vorhaben über verschiedene Kanäle nach außen tragen. Das heißt, wir Gründungsmitglieder erzählen viel darüber, wo und wie sich Kunst und Kultur in unserem gesellschaftlichen Leben abbilden und Wirkung zeigen. Viele Menschen haben das in der Zeit des Lockdown schmerzlich erfahren. Und viele sagten, hey, ich brauche jetzt mehr denn je ein Konzert oder ein Theaterstück oder eine Ausstellung, in der ich Anregungen finde und über die ich mein Leben reflektieren kann. Und dann gibt es schlicht den unterhaltenden und sozialen Faktor und die Erfahrung von Resonanz über Kunst, das haben beispielsweise die Balkonkonzerte gezeigt und auch Rückmeldungen in Streaming-Angeboten über die Live-Chats. Da gab es plötzlich Applaus, der kommuniziert wurde und das Publikum hat sehr differenzierte Rückmeldungen und enormen Zuspruch gegeben. Ich war in den letzten Wochen mit vielen Kolleg*innen im Austausch und hatte tolle, intensive Gespräche, die auch für mich das Spektrum des Kunst- und Kulturwertes noch mal erweitert haben. Verena Konrad, Direktorin des vai - Vorarlberger Architektur Institut in Dornbirn, breitete am Beispiel des Films einen Erklärungsteppich aus, der Verknüpfungen verständlich macht: Kaum ein Film kommt ohne Filmmusik aus und es braucht auch immer ein Drehbuch. Das heißt, jemand komponiert, Menschen spielen mit ihren Instrumenten diese Komposition ein und die Geschichte zum Film stammt aus der Feder von Autor*innen. Auch Opern und Theaterstücke benötigen zur Umsetzung eine Story und die Regie lässt dann die Fäden zusammenlaufen. Wenn diese Vorgänge, die wir täglich erleben, bewusst werden, ist der Schritt zur Spende nicht mehr weit. Vor allem, wenn erkannt wird, wie langfristig Kunst- und Kulturschaffende und auch Kultureinrichtungen von der Krise betroffen sind und sein werden. Das wird nächstes und übernächstes Jahr – auch je nach Entwicklung des Virus – noch Thema sein. Ende Juli ist ja die Anmeldefrist für Künstler*innen und Kulturschaffende und wir sind gerade sehr aktiv in Gesprächen und greifen dabei auf unsere guten Netzwerke zurück und die vielen Kontakte. Was bedeutet, dass wir über Locart und die Situation reden, telefonieren, Termine wahrnehmen, Interviews geben, bei Veranstaltungen zu Gast sind und die Menschen für eine Investition in Kunst und Kultur begeistern. Und es wäre toll, wenn diese Menschen dann auch zu Multiplikator*innen unseres Anliegens werden.
3 Warum sollten die Spender*innen direkt an den Verein spenden, was können sie von der Arbeit des Vereins erwarten?
Mirjam Steinbock: Maria Simma, die ihre Kontakte genutzt und auch neue aufgebaut hat, ist es gelungen, was ein neuer Verein normalerweise gar nicht kann: Es gibt bei uns die Spendenbegünstigung und das liegt an einer Verbindung zur Stiftung Philanthropie Österreich, die sich ebenfalls für Künstlerinnen und Künstler einsetzt. Die Abzugsfähigkeit von Spenden ist besonders für Unternehmen interessant, damit fließen Zuwendungen in Form von Geld viel schneller und genau diese Art von Geldfluss brauchen wir jetzt.
4 Die derzeitige Existenzbedrohung vieler Kunst- und Kulturschaffender durch die Coronakrise ist brandaktuell, die fehlende Mentalität/Bereitschaft von der Investition in Kunst und Kultur in Vorarlberg leider keine Neuheit. Gibt es Länder/Regionen in denen das anders ist? Warum?
Mirjam Steinbock: Im angloamerikanischen Raum ist das tatsächlich eher Usus, aber wir müssen nur in unsere Nachbarländer wie die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein schauen und sehen dort eine Vielzahl an Stiftungen, die sich für Kunst und Kultur aussprechen. Wahrscheinlich liegt es an einem Bekenntnis für einen so elementaren Bereich des gesellschaftlichen Lebens, der von staatlichen wie privaten Einrichtungen mit Überzeugung aus dem Inneren heraus nach außen getragen wird. Und es braucht wohl auch Mut für einen Paradigmenwechsel. Jetzt ist ja die beste Zeit, um etwas zu ändern, die Krise fordert ein Umdenken regelrecht ein. Ich habe letztes Jahr zu ‚Kultur für alle‘ und freien Eintritten in Museen recherchiert und im Gespräch mit den Museumsleiter*innen kam auch das Thema Sponsoring und Stiftungen auf. Es war bei allen spürbar, wie mühsam der Aufbau von Sponsoringpartnern ist und dass man diese meistens gar nicht nennen darf, weil sie wahrscheinlich Angst davor haben, dass viele Anfragen kommen. Ein Nein zu formulieren, scheint umgangen werden zu wollen und es hält viele davon ab, überhaupt in eine Sponsoringpartnerschaft einzuwilligen. Vielleicht sollte man lernen, ein Nein zu formulieren oder dass ein Nein auch ein Ja sein kann, vielleicht ist es aber auch eine Lösung, das Ja zu etwas Wichtigem zu erleichtern. Es wäre schön, wenn uns das mit dem Verein locart gelingen könnte. Wir sind jedenfalls gespannt auf den Austausch und auch die Rückmeldungen von Unternehmen. Wir dürfen ja auch einiges dazu lernen.
5 Kann man die Corona-Krise dahingehend vielleicht auch als Chance begreifen, um Themen wie Sponsoring, Sozialversicherung uvm. neu aufzurollen?
Mirjam Steinbock: Ja, das kann man so sehen. Ich würde es allerdings eher als Notwendigkeit bezeichnen. Eine Chance klingt für mich ein wenig nach einem Freiraum, der die Chance auch ungenutzt lassen kann. Das wäre jetzt gerade nicht optimal. Wir sehen im Kunst- und Kultursektor mehr denn je die existenzbedrohlichen Auswirkungen von überaus prekären Arbeitsbedingungen, auf die die IG Kultur seit Jahrzehnten hinweist und dafür kämpft, dass sich etwas ändert. Nun wird die Lage von Kunst- und Kulturschaffenden und auch Kultureinrichtungen, die die Arbeitgeberinnen der Akteur*innen und Begegnungszentren sind, offensichtlich und da gilt es, ganz genau hinzusehen und Verantwortung zu übernehmen. Vor allem auf politischer Ebene.
6 Was wünscht Ihr euch für die Kulturszene in Vorarlberg?
Mirjam Steinbock: Dass sie gesehen und im gesellschaftlichen Leben gemäß ihres Stellenwerts ganz selbstverständlich berücksichtigt wird. Und wir wünschen uns auch, dass sich Kunst- und Kulturschaffende unter www.locart.at anmelden, damit die Spenden – aktuell haben wir bereits über 10.000 EUR zusammengebracht – sie auch erreichen. Anmeldeschluss ist der 31. Juli 2020.
Mirjam Steinbock, Kulturarbeiterin und Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg, 25.06.2020