Montforter Zwischentöne zum Nachhören
In normalen Zeiten ist die Vernetzung von Kulturschaffenden, das „vor-den-Vorhang-holen“ und auch selbst als Veranstalter aktiv zu sein unser täglich Brot.
Aber was ist schon normal in diesen Tagen.
Wir haben uns gefragt was wir zur Unterstützung der vielen Kulturinitiativen beitragen können. Denn das Problem endet leider nicht zu Ostern. Für die nächsten Wochen und Monate sind bereits jetzt tausende kleine und große Konzerte, Opern, Theaterabende, Lesungen und Tanzaufführungen abgesagt worden. Das ist traurig für das Publikum und bringt große Konzerthäuser und Theater in Schieflage. Aber für freie Veranstaltungshäuser und Ensembles, für nicht fest angestellte Künstler*innen und Techniker*innen ist die aktuelle Krise unmittelbar existenzbedrohend.
Unser künstlerischer Leiter der Montforter Zwischentöne, Folkert Uhde, hatte wie wir finden eine sehr sympathische Idee. Unter dem Hashtag #ichwillkeingeldzurück bitten wir das Publikum, auf die Rückerstattung des Tickets abgesagter Veranstaltungen zu verzichten. Denn Hand aufs Herz: Wenn die 30,- Euro fürs nächste Konzert bereits bezahlt sind, die Tickets für den nächsten Theaterbesuch schon in der Schublade liegen, ist es doch ganz einfach, auf dieses Geld zu verzichten. Ein Spendenkonto hat eine viel höhere Hemmschwelle und benötigt mein aktives Tun (und wenn’s nur ne Online-Überweisung ist). Ist es nicht wunderbar, rein gar nichts tun zu müssen und dennoch zu helfen?
Deshalb bitten wir Sie, liebes Publikum, auf die Rückerstattung ihrer bereits bezahlten Tickets für ausgefallene Veranstaltungen zu verzichten. Durch diese solidarische Geste können die Veranstalter zumindest längst gebuchte Reisen und ein Ausfallhonorar für betroffene Künstlerinnen und Künstler bezahlen. Wenn Sie unbedingt auch noch aktiv werden wollen, schreiben Sie Ihrem Lieblingsveranstalter doch zusätzlich eine nette Durchhalte-Email. Alles geht leichter, wenn man sein Publikum auf seiner Seite weiß.
Als Veranstalter blicke ich auf die letzten Montforter Zwischentöne von vor drei Wochen zurück. Drei Wochen. Eine Welt, wie aus einer anderen Zeit. Wir haben noch gewitzelt, als wir gefragt wurden ob wir die Veranstaltungen wegen Corona werden absagen müssen. Na, ganz sicher nicht! "Sicher" war das damals schon nicht, wir wussten es nur noch nicht besser. Wir hatten schlicht Glück und konnten so ein paar wunderschöne Abende genießen, da sämtliche Beschränkungen erst in der Woche darauf begannen. Wohl allen Besucher*innen besonders in Erinnerung geblieben sind die "drei Begräbnisse" in der extra errichteten Kapelle im Alten Hallenbad. Drei Philosophen hielten Trauerreden. Dazu gab es herzzerreißende Musik von den Holzbläsern des Vienna Reed Quintet. Beerdigt wurde die Muße, die Privatsphäre und die Gewissheit.
Verdammt nochmal, wer hätte gedacht welch besondere Wendung diese Themen nur wenige Tage später haben werden. Wer heute noch sagt es gäbe Gewissheiten, kommt vermutlich gerade erst von einer sechswöchigen Nordpolexpedition zurück. Auch die Sicherheit durch Privatsphäre bekommt nach zwei Wochen freiwilliger Selbstisolation eine ganz neue Bedeutung. Und selbst Thomas Macho hätte vor zwanzig Tagen sich nicht träumen lassen, dass die Zeit der Muße so rasch wiederkommen wird. Nicht nur Schüler*innen fragen sich, wie sie in den kommenden Wochen mit der frei verfügbare Zeit, Verzögerung des Lebens und der Langsamkeit sinnvoll umgehen sollen. Vor Corona (also quasi gestern) war aus der Freiheit, sich Zeit zu nehmen ohne Nutzen und Zweck, ein Effizienzsteigerungsprogramm für unsere eigene wirtschaftliche Verwertbarkeit geworden.
Wenn wir es klug anstellen, gehen wir mit ganz vielen Erkenntnissen aus dieser Krise hervor. Mit der Sicherheit, dass wir uns ab heute nie, nie wieder sagen lassen werden diese oder jene Veränderung wäre wirtschaftlich/politisch nicht durchsetzbar. Und mit einer Ahnung davon, was wirklich wichtig ist.
Für die langen Abende zu Hause haben wir die Totenreden der Begräbnisse online gestellt. Nutzen wir die Auszeit um Pläne zu machen wie wir in Zukunft unseren Tagen wieder mehr selbstbestimmtes Leben geben wollen.
Edgar Eller
Stadtkultur Feldkirch