Quarantäne-Grüße aus Palermo 2.0

...von Jürgen Weishäupl

Liebe Freunde,

zum Auftakt von #weact habe ich ja meine Liebe zur südlichen Bürokratie beschrieben und Bettina wollte jetzt von mir eine neue Erzählung aus meinem Exil. Der Idioten-Blogeintrag von Feuerwehrfesten war ihr aber scheinbar zu hart für das zarte Vorarlberger Gemüt, die sexuellen Sonderlichkeiten meines Zwergdackels wohl zu wenig interessant und darum schreibe ich jetzt einen neuen über italienischen Salat.

Es gibt ja die verschiedensten Zeittheorien. Wenn ich jetzt zum Beispiel sag, dass die Zeit seit dem Lockdown wie im Flug vergangen ist, dann bedeutet das, dass es mir in der Nachbetrachtung nur wie ein paar Tage vorkommt, aber das nur aus dem Grund, da ich die Tage in meiner Erinnerung nicht voneinander unterscheiden kann. 

Seit ich nun vor knapp einem Monat von Dornbirn nach Palermo geflüchtet bin, fühlen sich viele Abende so an, aber nur ganz wenige Tage. Im Land der Balkonsänger ist immer etwas los.

Auch in Palermo sind wir jetzt nach Ostern in die begehrte Phase 2 upgegradet worden. Jetzt dürfen auch Kinderbekleidungsgeschäfte wieder öffnen, sonst lernen die Kleinen das Dauerkonsumieren ja nie, und auch Büchereien und Textilreinigungen dürfen wieder aufsperren. Schon in Phase 1 gab es aber in Italien ein anderes Verständnis von ‚absolut zum Überleben wichtig’ als in Österreich. Tierhandlungen zum Beispiel oder Baumärkte und Parfümerien. Das wird wohl an der ‚italienischen Dusche’ liegen, erörterte ich mit meinen italienischen Freunden. Da dies in Italien aber kein Begriff ist, erklärte ich Ihnen, dass dies im Deutschen heißt, man wäscht sich nicht, sondern parfümiert sich nur ein. Das kommt hier als nationale Beleidigung an, wir Deutschen wären die Hygieneferkel, würden immer stinken, uns nie waschen und die gleichen Socken eine Woche tragen, ja uns Deutsche könne man schon um die Ecke riechen. Obwohl sie wissen, dass man Österreicher ist, wird man in der Beschimpfung in den Sammelbegriff ‚Crucco’ miteinbezogen, da sind alle mit drin, die Deutsch reden. Eine ähnlich heftige Reaktion bekommt man, wenn man ihnen erzählt, was wir als italienischen Salat bezeichnen, der heißt hier russischer Salat. Leonerwurstwürfel und Erbsen mit Mayonnaise überschütten: dass eine solche kulinarische Verirrung mit Italien assoziiert wird, das bringt einen Italiener auf die Palme. Man muss sagen, auch bei uns hat der italienische Salat seine Blütezeit schon hinter sich. Ich kann mich an Jeder-bringt-was-zum-Essen-oder-Trinken-Partys in meiner Jugend erinnern, wo sich die italienischen Salate auf dem Buffettisch stapelten.

Aber Partys sind ja momentan sowieso verboten, auch hier in Palermo. Um das zu kontrollieren, fliegen sie hier den ganzen Tag mit Hubschraubern herum, damit nur ja keine Flachdachparties organisiert werden. Aber Palermitaner waren immer schon die Meister des Improvisierens. Und so verwendet man hier Feuerwerkskörper, schießt auf die Hubschrauber und die sind dann weg.

aloha
Jürgen