Familiengeschichten grenzübergreifend - Mine Schwöschtr, min Göti, min Opa
Von Frauke Kühn
literatur:vorarlberg netzwerk
Im noch leeren Saal des Theaters am Saumarkt in Feldkirch liegt einiges in der Luft: ein verlegenes Kichern, viel Coolness, laut herausgelachte Nervosität, jede Menge Text und ein echter Rap mit live Beatboxing. Rund 60 Schüler_innen der Oberstufe Thal (CH), der Waldorfschule Schaan (Lie) sowie der NMS Hasenfeld Lustenau und der Mittelschule Oberau Feldkirch (A) treffen sich, um Geschichten auf die Bühne zu bringen, die seit November entstanden sind. Inspiriert von einem gemeinsamen und lebendigen Kick-Off-Treffen, Erzählcafés sowie dem Dialog zu Hause und begleitet von regelmäßigen Schreibworkshops mit der Autorin Daniela Egger und dem Autor Carlos Peter Reinelt, haben die Jugendlichen ihren Familiengeschichten nachgespürt und sich über diese ausgetauscht.
Elfchen, Haikus oder auch Kurztexte, die ebenso spielerisch wie konzentriert mit den Autor_innen im Unterricht erarbeitet wurden, vergrößern lupenhaft das, was sonst im Alltag rasch als Selbstverständlichkeit unerzählt bleibt: der Bruder, mit dem man eben nicht streitet, der Schweizer Urgroßonkel, der eine Käsefirma in Millbank (USA) gründete, die bis heute den Valley Queen Cheese produziert oder die Schwester, die sich auf dem etwas holprigen Weg ins Berufsleben nicht unterkriegen lässt und damit der kleinen Schwester zum Vorbild wird. Dabei macht jede Zeile spürbar: mein Zuhause ist meine Familie und meine Familie, das bin ich, denn die Anfänge des eigenen Ichs finden sich eben schon in dem allerersten Liebesbrief der Eltern oder in deren Kennlern-Geschichten:
Silvester
Fackellauf um 12 Uhr
Danach tranken wir Rimuss
Feuerwerk
Josua
Und schließlich ist die Familie, ist das Ich, vor allem Mensch:
Mann
du Mensch
bist so erträglich
bist gern auf Alpen
Kind
Niklas
Von Nonsense-Gedichten über nahezu philosophische Zeilen bis hin zum fetzigen Rap entfalten die Jugendlichen eine erstaunlich vielfältige Bandbreite an Familiengeschichten auf der Bühne. Geschichten, mit denen sie das Publikum an diesem Abend im fast bis auf den letzten Platz gefüllten Theater am Saumarkt unterhalten, berühren und begeistern. Wann und in welcher Intensität die jungen Autor_innen in ihren Texten übrigens von der Realität in die Fiktion abgesprungen sind, bleibt ihr Geheimnis. Das ist in der Literatur nämlich so üblich.
Das Büchlein, das alle Familiengeschichten bündelt, spiegelt die Kreativität der Schüler_innen, das Engagement ihrer Lehrer_innen ebenso wie die Leidenschaft der Autor_innen wider. All das war grundlegend für diese einzigartige Zusammenarbeit im Rahmen des Projektes ‚Familiengeschichten – grenzübergreifend‘. Ein Projekt, das auch für meine Kolleginnen Sabine Benzer vom Theater am Saumarkt, Gabi Hampson vom W*ORT in Lustenau und mich eine besonders schöne Kooperationserfahrung war. Unser herzlicher Dank geht an alle Beteiligten und an unsere Förderer: Dornbirn plus Feldkirch Hohenems Bregenzerwald, IBK, Land Vorarlberg.